Objekt der Begierde

„Wie Lockendrehen auf einer Glatze“ bezeichnet Dr. Ulrich Placzek aus dem Ganzheitlichen Frauenarzt-Zentrum München die Bemühungen der Befürworter des inzwischen immer mehr umstrittenen Mammografie-Screenings, die Ergebnisse dieses höchst umstrittenen Projekts der Öffentlichkeit als erfolgreich zu verkaufen.

Ohne den verbindlichen Vorgaben der Europäischen Leitlinien zu genügen wird in Deutschland an einem immens teuren Programm festgehalten, dessen Sinn in einem erneuten Artikel von Dr. Placzek im „Frauenarzt“ kritisch hinterfragt wird. Viele Jahre hat er selbst mammografiert, hat am Screening-Programm teilgenommen und sieht seine schon vor Beginn des Programms vorgetragenen Kritikpunkte nach 10 Jahren Mammografie-Screening in vollem Umfang bestätigt.*

Der Verharmlosung von Überdiagnosen für gesunde Frauen als Folge des Screenings wird widersprochen, ebenso werden die Folgen von Übertherapien bei Frauen aufgezeigt, die vermutlich nie in ihrem Leben von einer schlummernden Krankheit erfahren hätten: Operative Behandlungen mit ggf. folgenden Nachbehandlungen wie Chemo- oder Strahlentherapie und jahrelanger Medikamenteneinnahme – alles meist mit erheblichen Nebenwirkungen – sind ein tiefer Eingriff in die Lebensqualität und stehen oft in keinem Verhältnis zum vermeintlichen Nutzen der Maßnahmen.

Beim Mammografie-Screening werden die angefertigten Bilder von Ärzten beurteilt, die weder die teilnehmenden Frauen gesehen noch untersucht hatten und die auch deren sonstige Befunde nicht kennen. Der betreuende Frauenarzt erhält dann als Rückmeldung lediglich die Information, dass keine Hinweise für ein Karzinom gefunden wurden – ohne detaillierte Beschreibung des Befundes und ohne Beschreibung der Entwicklung seit der letzten Untersuchung oder gar einer längerfristigen Verlaufsbeurteilung.

Der Artikel bringt hochexplosiven Zündstoff in die Diskussion, er ist aber keine generelle Absage an die Mammografie – im Gegenteil: Radiologische Untersuchungen haben ihren berechtigten Stellenwert, wenn sie gezielt und unter Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten und Risikofaktoren jeder Frau eingesetzt werden.

Ganzheitliche Medizin ist immer auf den einzelnen Menschen abgestimmt. Das erfordert natürlich mehr Zeit als eine Massenabfertigung, die nur auf vermeintliche Kosteneinsparungen setzt.

Das Arzt-Patienten-Gespräch und die Tastuntersuchung der Brust durch den Arzt sind auch in einer hochtechnisierten Medizin weiterhin unverzichtbar. Nur in Kenntnis des Tastbefundes, der Bruststruktur im Ultraschall, der genetischen Belastung und der Vorbefunde kann ein verantwortungsbewusster Arzt zusammen mit der Frau festlegen, in welchen Abständen welche Untersuchungen sinnvoll sind.

Mammografie-Screening: Falsche Befunde und das Spiel mit geschätzten Zahlen

 

*Zum gleichen Thema hatte Dr. Placzek bereits einen Artikel im „Frauenarzt“ publiziert, der auf der Website des Netzwerks für Gesundheit am 31. Juli 2014 unter dem Titel „Streit um die weibliche Brust“ gepostet wurde.

8. Juli 2015

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