An jedem Zahn hängt ein ganzer Mensch (W. Busch)

Dass kaputte Zähne den ganzen Körper schädigen können, ist inzwischen allgemein bekannt. Aber ein Zahnarzt, der danach fragt, ob seine Patienten häufig unter unerklärlicher Müdigkeit oder Erkältungskrankheiten leiden? Das ist trotzdem eher die Ausnahme als die Regel. Nur etwa 1.500 der rund 80.000 deutschen Zahnärzte nennen sich „ganzheitliche Zahnmediziner“, viele davon sind in einem eigenen Verband, der GZM (Intern. Gesellschaft für Ganzheitliche Zahnheilkunde) oder in der DEGUZ (Dt. Gesellschaft für Umwelt ZahnMedizin) organisiert.

Dr. Lechner, langjähriges Vorstandsmitglied der GZM, ist einer von Ihnen: in seiner Ganzheitlichen Praxisklinik in München wird der Focus auf die ständige Wechselbeziehung zwischen Zähnen und Körper gelegt. Wir haben ihm ein paar Fragen zu seinen Erkenntnissen und Erfahrungen gestellt.

Herr Dr. Lechner: Warum legen Sie in Ihrer Praxis den Schwerpunkt auf die Ganzheitliche Zahnmedizin?

Wilhelm Buschs klugen Spruch sollte man beherzigen und Zähnen mit mehr Achtsamkeit behandeln: denn jeder Eingriff am Zahn kann sich auf andere Organe und insbesondere das Immunsystem und die Körperabwehr auswirken. Ebenso kann jede chronische Krankheit durch chronische Belastungen im Kieferbereich gefördert werden. Das bedeutet, dass Gifte und allergische Reaktionen aus Zahnfüllungen Organfunktionen in anderen Körperregionen stören können. Die Wissenschaft hat zum Beispiel einen Zusammenhang zwischen entzündlichen Zahnbetterkrankungen und Gehirnschlag beobachtet. Belegt ist sogar, dass Zahnbakterien Herzinfarkte auszulösen können. Dazu erhöhen Zahnfleisch- oder Kieferentzündungen das Schlaganfallrisiko um das Dreifache, können chronische Gelenkentzündungen zur Folge haben und das Immun- und Verdauungssystem in Mitleidenschaft ziehen. Die nachweislich hohe Vernetzung aller organischen Bestandteile eines Organismus zwingt mich als Mediziner geradezu zu einem ganzheitlichen Ansatz im Denken.

Welche Rolle spielt dann bei Ihnen die Schulmedizin?

Die sogenannte „Schul-Zahnmedizin“ leistet bei allen akuten Zahnschmerzen, Zahnvereiterungen, klassischen Zahnversorgungen und chirurgischen Eingriffen  hervorragende Arbeit, und gewährleistet – wenn auf hohem medizinischem Niveau – beste Versorgung. Auch der ganzheitlich orientierte Zahnarzt kommt ohne diese Grundlagen selbstverständlich nicht aus: er fertigt eine Wurzelfüllung dort an, wo ein Zahn zerstört ist; er gliedert eine Brücke oder ein Implantat dort ein, wo ein Zahn fehlt.

Darüber hinaus jedoch fragt er aber auch nach der Wirkung eines abgetöteten Zahns auf das Gesamtsystem. Er begrenzt den medizinischen Horizont seiner Gesundheitsfürsorge nicht auf den passenden Kronenrand, den festen Sitz und die schöne Zahnfarbe, sondern sorgt sich auch um die Reaktion des Gesamtsystems auf das Material der Brücke oder des Implantats.

So mancher denkt beim Stichwort „ganzheitlich“ zuerst an den umstrittenen Füllstoff Amalgam.

 Seit Jahren wird die Frage kontrovers diskutiert, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Amalgam-Füllungen verursacht werden. Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Kopfschmerzen, Zittern, Schwindel, Depressionen, wiederkehrende Entzündungen der Schleimhäute – dies sind nur einige Beispiele für die möglichen Symptome einer Amalgambelastung.

Aber auch immer wieder auftretende Erkältungskrankheiten, rheumatische Störungen, chronische Magen-Darm-Störungen und Lymph-Belastungen mit Halsschmerzen werden ursächlich mit Amalgamfüllungen in Verbindung gebracht. Viele dieser Symptome sind sogenannte „unspezifische Beschwerden“, d.h. sie können im jeweiligen Einzelfall auch auf anderen Ursachen beruhen. Wichtig sind daher eine gewissenhafte diagnostische Abklärung und Wissen und Erfahrung um die Zusammenhänge, aufgrund derer Amalgam zu gesundheitlichen Beschwerden führen kann.

Seit über 30 Jahren wird in unserer Praxisklinik deshalb kein Amalgam verarbeitet, sondern nur entfernt, ausgeleitet und ausgetauscht.

Für notwendige Maßnahmen wie Implantate oder Zahnersatz muss doch jeder Zahnarzt Füllungsmaterial verwenden. Wie vermeiden Sie Unverträglichkeiten?

Da Reaktionen des Immunsystems auf neu in den Körper eingebrachtes Fremdmaterial nicht vorherzusehen sind, vermeiden wir Amalgam und Metalle für Brücken- und Kronen-Zahnersatz sowie Titan bei Implantaten. Und meist auch die alternativ verwendeten Kunststoff-Füllungen, die immer mehr in die Diskussion kommen – denn offensichtlich besitzen auch sie ein hohes Allergisierungs-Potential und toxische Eigenschaften.

Wir verwenden stattdessen Kronen, Brücken und Implantate aus metallfreier und bioverträglicher Vollkeramik, weitestgehend auch bei herausnehmbarem Zahnersatz. Wenn nötig, testen wir für jeden Patienten im Vorfeld die Verträglichkeit der neu einzubringenden Zahnersatzmaterialien – im Zweifel auch die Verträglichkeit der Betäubungsspritzen.

Ganzheitliche Zahnmedizin bedeutet ja aber mehr als nur Verzicht auf Amalgam.

Amalgam ist zwar im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde, berührt aber wirklich nur einen Teilaspekt ganzheitlicher Therapie. Wir haben natürlich auch unsere Behandlungsmethoden auf einen ganzheitlichen, sanften Ansatz abgestimmt. So zum Beispiel bei der Präparation von Zahnersatz: das durchdringend jaulende Pfeifen der luftgetriebenen Turbinen beim Beschleifen der Zähne kennt jeder. Dieses Geräusch der Zahnarzt-Turbinen hören Sie bei uns nicht! Die Umdrehungszahl der Turbinen beträgt bis zu 500.000 pro Minute, wobei im Zahnnerv Hitze-Schäden verursacht werden können, die zum Absterben gesunder Zähne führen. Wir benutzen dagegen mit Elektromotoren angetriebene Bohrer mit einer maximalen Umdrehungszahl von bis zu 80.000/min. Dies dauert zwar etwas länger, ist aber weitaus schonender für den Zahn und dient so der Gesundheit.

Sie arbeiten ja auch mit einer Ganzheitlichen Störfeldtherapie.

Als Störfelderkrankungen bezeichnen wir Störungen, deren Ursache nicht am Ort der Störung, also nicht direkt am Krankheitsort zu suchen ist. Viele chronische Erkrankungen wie zum Beispiel Rheuma im frühen Stadium, Migräne oder Gelenkbeschwerden zählen dazu: ihre Ursache findet sich häufig an medizinisch unauffälligen Stellen. Die Aufgabe der speziellen Zahn-Störfelddiagnostik ist es, die Beziehungen zwischen dem erkrankten Organ und der Ursache im Zahn-Kieferbereich zu erkennen.

Was verursacht solch ein Störfeld?

Die hauptsächlichsten Störfelder aus dem Zahn-Kieferbereich sind unverträglichen Fremdmaterialien im Mund und Kiefer sowie tote und wurzelgefüllte Zähne, die ständig Gifte in Form denaturierter Eiweißverbindungen abgeben können. Aber auch verlagerte Zähne, Leerkieferstellen mit chronischen Knochenentzündungen (sogenannte „Kieferostitis/NICO“), vergessene Fremdkörper im Kiefer und Pigmentierungen in der Schleimhaut als Folge von Amalgamverschliff zählen zu den Verursachern.

Bei den großen chronischen Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Krebs und Diabetes ist eine gründliche Zahnsanierung häufig sinnvoll, um Therapieblockaden für den Heilungsprozess zu beseitigen. Störfelder gibt es übrigens nicht nur im Zahn-Kieferbereich – auch entzündete Mandeln, Nasennebenhöhlen, Darmerkrankungen und Narben können als Störfelder wirken.

Ein ganzheitlich orientierter Zahnarzt trägt dazu bei, dass ein von chronischem Ballast überlastetes Immunsystem wieder Kräfte freisetzen kann, wodurch eine Stabilisierung der gesundheitlichen Situation eintreten kann.

Was genau müssen wir uns unter einem Störfeld im Kiefer vorstellen?

Ein Kiefer-Störfeld ist ein eingekapselter Bereich von konzentrierten Toxinen und infiziertem Gewebe. Ein solcher „Herd“ im Kieferbereich ist oft stumm in dem Sinne, dass er keine lokalen Symptome erzeugt. Er kann aber jedes Organ im Körper beeinflussen. Diese „chronische Kieferentzündung“ und ihre Auswirkungen werden von weiten Bereichen der Zahnmedizin bis heute nicht wahrgenommen. Diese an sich unauffälligen Knochenerweichungen, die sogenannten „NICO“s, lösen häufig unspezifische Gesichtsschmerzen aus. Sie haben aber auch Auswirkungen auf das Gesamtsystem im Sinne einer stummen chronischen Entzündung; entzündliche Gelenkbeschwerden und Abwehrschwächen können mit „NICO“ ebenso in Verbindung gebracht werden, wie Multiple Sklerose und Tumore.

Seit der Entdeckung der Antibiotika hat sich unter Ärzten und auch Zahnärzten der Glaube verbreitet, dass Zähne keine weiteren Erkrankungen anderer Organsysteme im Körper auslösen können. Geleugnet wird die Gefahr, dass ein wurzelgefüllter Zahn und die in ihm eingeschlossenen Bakterien Belastungsreaktionen an anderer Stelle im Körper auslösen können.

Die ganzheitliche Zahnmedizin sieht das aber anders?

Es gibt neue Erkenntnisse aus der modernen Zahnheilkunde, die ein Überdenken dieser Position notwendig machen. Wissenschaftliche Untersuchungen berichteten, dass nur 7% der wurzelbehandelten Fälle ausheilten. Wurzelkanal-Behandlungen können also sehr wohl Ursache vielfältiger System- und Organ-Erkrankungen sein, da von den Wurzelfüllungen Giftwirkungen ausgehen können. Das klassische Röntgenbild, das die Schulmedizin als Nachweis einer erfolgreichen Behandlung verwendet, reicht zur Beurteilung des Heilprozesses nach einer Wurzelbehandlung leider nicht aus.

Was raten Sie also Ihren Patienten?

Wurzelfüllungen alleine können schon krank machen – müssen aber nicht bei entsprechender Entgiftungsfähigkeit. Amalgamfüllungen alleine können ebenfalls krank machen – müssen aber nicht bei entsprechender individueller Widerstandskraft. Wurzelgefüllte Zähne und Amalgamfüllungen gleichzeitig im Mund erhöhen das Risiko chronischer Krankheiten aber enorm: Denn aus den Stoffwechselgiften der verbleibenden Bakterien im Wurzelkanal in Verbindung mit Quecksilber aus Amalgamfüllungen entsteht Dimethylquecksilber – bekannt als eines der stärksten Nervengifte. Solch eine Konstellation gilt es demnach unbedingt zu vermeiden und bei Erkrankungen des Nervensstems zu beseitigen.

Zahnärzte werden grundsätzlich geschult, Zähne unter allen Umständen als mechanische Kauwerkzeuge zu erhalten. Meine Erfahrung aus 30 Jahren Ganzheitlicher Zahnmedizin ist leider, dass diese Zahnerhaltung häufig mit gesundheitlichen Störungen des Patienten bezahlt wird.

In unserer Praxisklinik für Ganzheitliche ZahnMedizin übernehmen wir auch für Störungen der Gesundheit außerhalb unseres Fachgebietes Verantwortung für den Patienten – dafür kooperieren wir auch mit Kollegen aus anderen Disziplinen. Der Patient und seine Gesundheit stehen für mich als ganzheitlicher Mediziner immer im Mittelpunkt meines Interesses. Das Therapiekonzept unserer Praxisklinik ist unter www.dr-lechner.de Schritt für schritt dargestellt.

Insgesamt 13 wissenschaftliche Artikel von Dr. Lechner können unter www.researchgate.net/profile/Johann_Lechner/contributions?ev=prf_act kostenfrei abgerufen werden.

Mehr Informationen unter:

2. Juli 2014